Das Leben ist wie Einradfahren: um nicht zu fallen, muss man ständig in Bewegung bleiben

Wie schon in diesem Blogbeitrag zum Thema Gleichgewicht & Lernerfolg beschrieben sind die Zusammenhänge und Vorzüge des Einradfahrens nicht nur denkbar, sondern wissenschaftlich nachgewiesen. Hier auch dazu das Faltblatt des hessischen Kultusministeriums.

In welchem Rahmen und auf welche Weise kann Einrad fahren an einer Schule eingeführt und etabliert werden? Zunächst einmal sollte mit einem Vorurteil aufgeräumt werden – der Lehrer oder die Person, die die Aktivität leitet muss nicht zwangsweise Einrad fahren können! Sie kann es entweder mit den Kindern gemeinsam Lernen – oder auch einfach nur die Kinder begleiten – wichtig sind vielmehr Motivation und das Verhältnis zu den Schülern. Zahlreiche Waldorfschulen haben Einrad fahren schon seid langem im Programm.

Zusammengefasst und erweitert, was „bringt“ Einradfahren?

  • Förderung des Gleichgewichtssinnes
  • Förderung der Konzentrationsfähigkeit (z.B. für Mathematik)
  • Förderung der Vorstellungskraft (Geometrie, Formen)
  • Förderung des Körpergefühls
  • Meditative Aspekte – man kann nichts nebenher tun, nicht „grübeln“ – der Schüler ist ganz und gar bei einer Sache
  • Konzentration, Aufmerksamkeit, Balance – auch mental – sowie Fitness sind erforderlich. Hektik und Übereifer sind eher kontraproduktiv.
  • Durchhaltevermögen und Erfolgserlebnisse des selbst erreichten werden vermittelt. Man lernt sich selbst besser kennen – und den eigenen Körper sowie dessen Motorik

Pädagogische Vorzüge:

  • integrative Aspekte: auf dem Einrad sind alle gleich!
  • soziale Aspekte: solange jeder um sein Gleichgewicht ringt, kann er sich nicht über andere lustig machen
  • alle sind gleichzeitig aktiv – permanent. Kein Anstehen, kein Warten
  • differenzierter Unterricht – es ist ohne Weiteres möglich, unterschiedliche Leistungsstufen zeitgleich zu unterrichten / trainieren
  • Förderung der sozialen Kompetenz durch gegenseitige Hilfestellung

Equipment:

  • Bei der Bekleidung gibt es kaum spezielle Anforderungen: Hallenschuhe bzw. saubere Straßenschuhe (je nachdem was in der jeweiligen Halle erlaubt ist), reichen aus. Ballerinas oder Eurythmieschuhe sind nicht zu empfehlen. Bei extensivem Training können allenfalls einmal Nähte in bestimmten Hosen oder der Unterwäsche stören – eine Radhose schafft Abhilfe – ist aber in diesem Rahmen nicht erforderlich
  • Die Einräder sollten über den Unterrichtszeitraum die selben bleiben – und nicht ausgetauscht werden
  • Anfänger lernen schneller auf Einräder mit längeren Kurbeln
  • Fortgeschrittene Fahrer sollten auf kürzere Kurbeln wechseln
  • ein bequemer Sattel wie z.B. der QU-AX Luxus oder ein ergonomischer Kindersattel helfen die Motivation oben zu halten
  • rutschsichere Pedale sind beliebt, z.B. das QU-AX Antislip Pedal, jedoch ohne schmerzhafte Metall-Pins. Runde Ecken und ggfs. eine helle Farbe (Halle) sind von Vorteil. Die OnlyOne Indoor-Modelle 16″ und 20″ sind z.B. speziell so ausgestattet.
  • weisse / helle Reifen mögen keine Sonne! Die meisten Fahrradreifen sind (vom Profil her schon) ungeeignet.
  • Die richtige Sattelhöhe findet sich genau wie beim Fahrrad. Wenn die Kinder auf dem Sattel sitzen, sollte das Knie in der unteren Pedalstellung in etwa durchgedrückt sein. Bei den ersten Versuchen ist es hilfreich, wenn die Sattelstütze ein wenig niedriger eingestellt ist. Bauartbedingt kann die Sattelstütze beim Einrad nur so weit in die Gabel geschoben werden, bis sie unten quasi auf den Reifen trifft / auf den Endanschlag in der Gabel trifft. Daher kann es, wenn der Sattel ganz unten sein soll, nötig sein entweder eine kurze Sattelstütze zu nutzen – oder die vorhandene abzusägen (entgraten nicht vergessen!) Bei QU-AX Luxus Einrädern sind aus diesem Grunde zwei Sattelstützen im Lieferumfang enthalten – eine kurze und eine lange. Im Vereins- oder Schulbetrieb kann es Sinn machen einfach noch einige Sättel anzuschaffen, um einfach zwischen kurzen und langen Stützen wechseln zu können – ohne Schrauben.

Einführung – erster Kurs / erstes Schuljahr:

Im Folgenden einige Tipps und Beispiele, wie man die Kinder spielerisch an die ersten Fahrten auf einem Rad heran führen kann:

  1. Eine einfache Gleichgewichtsübung zu Beginn ist es, die Kinder auf einem Bein stehen zu lassen. Heute schon nicht mehr ganz selbstverständlich. Die Steigerung ist dann, das Selbe mit geschlossenen Augen zu tun.
  2. Als nächstes setzten sich die Kinder auf das Einrad und halten sich an einer Wand seitlich fest. Die Pedale sind dabei waagerecht – auf 3 und 9 Uhr. Das ist am Anfang noch sehr verkrampft – lockert sich aber mit der Zeit von ganz allein – die ersten Unsicherheiten verschwinden.
  3. Sobald die Kinder ein wenig entspannter sitzen, lassen wir sie in die Hände klatschen. Zunächst vor Ihnen, dann über dem Kopf, dann hinter Ihnen. So stehen sie schon kurzzeitig frei. Das Verletzungsrisiko beim Einrad ist sehr gering – kein Lenker oder Rahmen ist im Weg – man landet meist auf den Füßen. Das Einrad kann und sollte stets einfach „fallen gelassen“ werden. Das kann es gut weg stecken, Schutzecken am Sattel und Griff sind schlimmstenfalls austauschbar.
  4. Jetzt langsam und ohne Druck jeweils eine halbe Umdrehung vor- und zurück treten. Ausgangstellung ist weiterhin mit den Pedalen in der Waagerechten. Die Kinder bekommen ein Gefühl für die Bewegung und Balance, werden entspannter, Angstreflexe werden abgebaut.
  5. Nun geht es endlich ans Fahren Lernen! Am Besten einen Korridor aus Kästen bauen – als links und rechts einen zum Festhalten – dazwischen genug Platz für die Einradfahrer. Wichtig: Die Bänke unbedingt mit Spanngurten sichern – Quetschgefahr! Bei Bedarf kann diese Strecke durch Geländer (z.B. Gehbaren) oder Bänke verlängert werden. Um das Gleichgewicht zu halten ist es hilfreich, den Blick nach vorn zu richten – daher am Besten auf der Gegenüberliegenden Seite ein Smiley oder Ähnliches an die Wand hängen und die Schüler anweisen, bei den Fahrversuchen auf dieses zu schauen. Wichtig: zu Beginn unbedingt die Hüfte nach vorn schieben, nicht den Oberkörper.

Hallenaufbau erster Kurs / erstes Schuljahr:

Hilfreiche Tipps & Tricks:

  • Begrüßung zu Stundenbeginn auf einem Bein stehend (ohne Einrad) im Kreis. Der Lehrer zählt 30s runter – pro Bein
  • generell entsteht dadurch, dass alle ihre Komfortzone verlassen zumeist eine lockere, gute Stimmung
  • Anerkennung äußern, keinen Druck aufbauen
  • Keine Haltungsverbesserungen geben – diese erfolgen mit der Zeit automatisch, sonst einfach mal zu einer Pause ermuntern!
  • Unterstützung nur an Ellenbogen oder Handgelenk
  • Gamification! Kinder ermutigen Kurbelumdrehungen laut zu zählen. Je nach Form kann ein „Einradpass“ mit Abzeichen geführt werden – für verschiedene Erfolgsschritte – mit „Abzeichen“ für bestimmte Erfolge. Kommen die Kinder mit dem eigenen Einrad kann jedes „Abzeichen“ z.B. am Gabelrohr mit einem Dymo-Label oder Ähnlichem festgehalten werden.
  • Später statt Barren und Bänken ein Seil verwenden (welches z.B. an einer Kletterwand befestigt wird). Dies kann dann nach Bedarf straff oder locker gehalten werden

Fortführung – zweiter Kurs / zweites Schuljahr:

Im zweiten Schuljahr haben die Schüler bereits einfaches Fahren gelernt. Der Turnhallenaufbau im zweiten Lehrjahr ist folglich schon ein wenig anders:

Inhalte dieses Jahres sind dann beispielsweise:

  • Balanceaufstieg gemeinsam im Kreis, „Auf die Plätze, fertig, hoch!“
  • Stillstand
  • Pendeln
  • Schüler bauen sich selbstständig Hindernisse und Parcours aus Matten, Sprungbrettern…
  • Slalom aus Hütchen und Ringen
  • Mühle
  • Kette
  • Kreisel

Spiele für das zweite Kurs- / Schuljahr:

  • Feuer, Wasser, Eis: LehrerIn, SpielleiterIN ruft einen der drei Zustände aus – darauf hin muss ein entsprechender Trick ausgeübt werden, dazwischen fahren die Kinder in der Halle umher und durcheinander. Wichtig: Das Einrad darf nicht einfach sausen gelassen werden, sondern es muss der Sattel auf den Boden geführt werden.
  • Fuchsjagd mit Fuchsschwanz: Ein Kind bekommt ein Tuch oder Band (locker) angesteckt – dieser muss von den anderen Kindern auf dem Einrad „gejagt“ werden
  • Kettenfangen: Zunächst einfaches Fangen durch einen Fänger. Jeder Gefangene muss den Fänger an die Hand nehmen und mitjagen. Ist eine Viererkette erreicht, trennt sich die Kette wieder.

Hallenaufbau zweiter Kurs / zweites Schuljahr:

Wichtig: Die Bänke unbedingt mit Spanngurten sichern – Quetschgefahr!

Fortführung – dritter Kurs / drittes Schuljahr:

Aufbauend auf den Inhalten des letzten Kurses – die auch weiterhin aktive Inhalte bleibe – sind in diesem Kurs folgende neue Elemente Inhalte:

  • Balanceaufstieg gemeinsam im Kreis
  • Auf die Plätze / fertig / hoch (schicke gerne ein Video, dazu)
  • Springen
  • Rückwärtsfahren
  • Einradhockey
  • Wheel Walk
  • + alles aus der dem letzten Kurs

Hallenaufbau zweiter Kurs / zweites Schuljahr:

Wichtig: Die Bänke unbedingt mit Spanngurten sichern – Quetschgefahr!

Vierter Kurs / viertes Schuljahr:

Nun da fortgeschrittenes Fahrkönnen vorliegt können eigene Projekte und Sportarten in den Vordergrund rücken, jeder Schüler kann sich nun ein eigenes Ziel für dieses Schuljahr / Kursjahr setzen, beispielsweise

  • Tourenfahren, Einrad als Transportmittel – idealerweise dann auch mit größeren Rädern wie 27,5″ oder 29″
  • Eine eigene Einradkür zusammenstellen und aufführen – auch in Gruppen möglich
  • Springen auf dem Einrad
  • Einradhockey… was uns zum nächsten Thema bringt:

Sportarten auf dem Einrad:

  • Touren / Rennen / Marthon / Muni (Mountain unicycling, Einrad fahren im Gelände)
  • Freestyle: eigene Kür auf dem Einrad, mit zahlreichen, ineinander übergehenden Tricks mit Musik und eventuell auch Verkleidung
  • Einradweit- und Hochsprung
  • Trial, entweder Hindernisse selbst gebaut z.B. aus Europaletten – oder aber eher Streetlastig aus dem, was ein Skatepark vor Ort hergibt
  • Einradbasketball
  • Einradhockey

Rechtliche Aspekte des Einradfahrens:

  • Helmpflicht jeweils Schul- / Vereinsangelegenheit, oft abhängig von der Versicherung – vor Ort abklären
  • Das Einrad ist kein Verkehrsmittel sondern ein Sportgerät, es darf nicht auf der Straße verwendet werden sondern lediglich auf dem Gehweg
  • Auch aus diesem Grunde gilt es in Bus und Bahn als Gepäck dessen Mitführung kostenlos ist. Ein Einradrucksack kann manchmal hilfreich sein

Quellen und Dank: Thorsten Hönztsch-Peltner, Einradfuchs.de

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am FAQ. Setze ein Lesezeichen auf den permalink.